Chantal Eichstädt

Ich und mein verrücktes Auslandsjahr




      Die Wochen vor dem Abflug
                           
Diese Zeit ist Gefühls-technisch schwer zu beschreiben. Es waren noch Ferien, also genug Zeit, um mit meinen Freunden/ meiner Familie so viel wie möglich zu unternehmen. Tja, leider war ich nicht ganz so gut auf meinen Beinen unterwegs. Ich hatte nämlich drei Monate vor dem Abflug eine Kreuzband-Op. Das hieß: Anfang der Sommerferien war ich noch auf Krücken unterwegs, deswegen mussten manche Pläne mit der Familie abgesagt werden, was nicht gerade berauschend war. So Mitte der Ferien konnte ich dann langsam ohne Krücken vorsichtig laufen. Zum Glück hatte ich meinen Freund, der mich fahren konnte und mit ihm bin ich noch so oft wie möglich baden gegangen. 
Die letzten zwei Wochen hatte ich dann auch endlich angefangen meine Sachen zu packen. Ein riesen Koffer und ein Wanderrucksack waren zu füllen. Beim Koffer waren das Maximum 21 kg, jup, hört sich viel an, aber wenn ihr für Sommer, Winter, Herbst und Frühling packen müsst, dazu noch Gastgeschenke habt, dann sind die 21 kg recht schnell zusammen. Bei mir waren es 25 kg zum Schluss. Also musste ich schwere Sachen, wie Pullover rausnehmen. Duschgel, Shampoos und Cremes auch, die sollte ich dann in Kanada kaufen. In den Wanderrucksack, dessen Gewicht nur maximal 9 kg betragen durfte, habe ich einen Teil der Gastgeschenke gepackt, sowie schwerere Sachen, wie Hosen und Schuhe. Dazu musste man noch bestimmte Maße einhalten, die bei jeder Fluggesellschaft verschieden sind. Ich glaube, dass ich erst 2 Tage vor Abreise wirklich fertig war.
Meine Mutter hat mir mehr Stress gemacht, als ich selber hatte. Ich war die Ruhe in Person, ich hatte noch nicht wirklich geschnallt, dass ich in ein paar Tagen 8000 km entfernt bin. 
Natürlich hatte ich auch eine Abschlussfeier, mit meinen engsten Freunden. Leider hatten nicht alle Zeit, also war es eine kleine Runde. Wir sind dann alle nochmal mit den Motorrädern gefahren. Ich darf ja nicht in Kanada fahren, also musste ich so oft wie möglich Chancen nutzen, um zu fahren. Insgesamt war der Abend eher ruhig. 
Die Tage bis zum Abflug vergingen wie im Fluge. Ich steige mal am letzten Tag ein.
Nachdem ich mich leider von meinem Freund verabschieden musste und ich seinen  Military Dog Tag bekommen habe, um ihn sozusagen in Kanada bei mir zu haben, gab es am Abend noch einen Überraschungsbesuch. Freunde von uns kamen vorbei, mit denen wir auch den ganzen Abend gequatscht haben. Das tat mir ganz gut, da sie es toll fanden von mir, dieses Austauschjahr zu machen. Sie haben mich auch bestärkt in meiner Entscheidung, da sie meinten, dass mir dieses Erlebnis keiner wegnehmen kann. Ich hatte mega Angst, morgen sollt es nach Kanada gehen, 10 Monate in einer fremden Umgebung, ohne Familie und Freunde, eine andere Sprache... 
Tja, da kamen die ganzen Gefühle, Ängste, Emotionen auf einmal auf mich zu. Zum Glück hatte ich meine wundervolle Freundin, die gleich vorbei kam, als ich ihr geschrieben hatte. Eigentlich hatte ich vor, bis zur Abfahrt am nächsten Tag wach zu bleiben. Hat nicht wirklich funktioniert. Auf jeden Fall sind wir um 23:00 Uhr raus gegangen, haben uns irgendwo ein Plätzchen zum sitzen gesucht und einfach die gemeinsame Zeit genossen. Über das Auslandsjahr geredet, eigentlich über alles mögliche und nebenbei Musik auf der Box laufen lassen. So um 1 Uhr morgens hatte ich die Idee einfach auf die Straße zu gehen, da um die Uhrzeit kaum ein Auto unterwegs ist, und zu der Musik zu tanzen und mich auf die Straße zu legen. Irgendwann so um 3 Uhr morgens sind wir beide dann doch jeder zu sich nach Hause gegangen und haben die zwei Stunden Schlaf so gut wie möglich genutzt. Um 5 Uhr hieß es dann aufstehen, für Frühstück war ich viel zu aufgeregt, aber den letzte Kaffee von zu Hause habe ich noch genüsslich getrunken. Das werde ich auch vermissen, türkischen Kaffee von zu Hause. Um 6 Uhr wollten wir losfahren zu Flughafen, also war es ein wenig stressig, da ich die letzten Sachen noch eingepackt habe, die Koffer noch ins Auto mussten und ich noch auf meine zwei Freundinnen gewartet habe. Natürlich habe ich mich auch von meiner Hündin verabschiedet, was mir ganz schwer fiel, so 10 Monate ohne sie und ihre Macken. Ich glaube da versteht mich jeder Hundebesitzer.
Leider hatte eine Freundin verschlafen, was nicht gerade der beste Zeitpunkt ist, also sind wir dann ohne sie losgefahren. Auf dem Weg zum Flughafen hielten wir noch bei Aral an, um Kaffee zu holen, da er dort mega lecker schmeckt. 
Dann waren wir da, Flughafen Tegel. Ich bin bisher nur zwei mal geflogen und das war, als ich noch klein war, also hatte ich keine Ahnung mehr, was mich erwarten würde. Wir saßen alle zusammen an meinem Gate. Es war komisch, dass dort keiner Gepäck aufgenommen hat. Aber wir haben uns erstmal nichts gedacht. Ich habe dann auch den Jungen, der von der gleichen Organisation ist und neben mir im Flieger sitzen sollte, gesehen. Seine Eltern meinten, man müsste das Gepäck bei Lufthansa direkt aufgeben und nicht an unserem Gate. Da der Flug aber nicht mehr lange hin war, musste ich mich beeilen. Die Schlange zum Anstehen war recht lang, trotzdem war ich noch rechtzeitig zurück an meinem Gate. Vor mir standen auch zwei nette Personen, mit denen ich über mein Austauschjahr ein wenig geplaudert hatte. Sie hatten sich so wie ich aufgeregt, dass man nicht informiert wurde, das Gepäck woanders abzugeben. 
Als ich wieder an meinem Gate war, hatte sich schon eine Schlange gebildet, also war die Zeit Abschied zu nehmen nicht mehr weit. Zu der Zeit hatte ich immer noch nicht realisiert, dass ich in ein paar Stunden, auf einem anderen Kontinent bin. Irgendwann hatte ich mich auch dann in die Schlange gestellt und musste mich verabschieden. Glaubt mir, das war das Schlimmste. Die letzten Umarmungen und Momente, bevor ich kontrolliert wurde. Dann konnten wir uns nur noch durch die Scheibe sehen und dann konnte ich meine Tränen auch nicht mehr zurück halten, als meine Mama und meine Freundin angefangen haben zu weinen. Ich wollte meine Liebsten nicht zurück lassen. 

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